Episode 09: Praise of idleness

Wo hörst du diesen Podcast? Im Home-Office? Beim Sport? Beim Kochen? Zur Ablenkung vom Hausarrest der Corona-Krise? Oder dudelt er einfach so nebenbei, im Hintergrund, gegen die Stille? Dann herzlich willkommen, mitten im Thema der aktuellen Episode: Langeweile.

Langeweile begegnet uns in diversen Formen. Von der qualitativen Langeweile eines öden Gesprächs bis hin zum Blick in den Schlund der existenziellen Krise der unerträglichen Stille. Erich Fromm befand schon: „Langeweile ist eine der furchtbarsten Plagen unserer Zeit“. Aber warum ist das so? Was macht die Langeweile so unerträglich für uns? Schon als Kind kannten wir Langeweile – und traten ihr mit unzähligen Spielen, Ideen und Abenteuern entgegen. Im spielerischen Kampf gegen die Verdrossenheit haben wir unsere Potenziale erkannt, sind in Rollen geschlüpft und haben als Astronaut, Detektiv oder Forscher vielleicht die Grundlage unserer späteren Berufslaufbahn gelegt. Wann wurde aus dem Erkunden der Möglichkeiten ein Überbrücken und Unterdrücken der Stille? Wann wurde aus Langeweile die drohende Depression?

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Nicht nur die digitale Permanenz von Social Media und Medienangeboten macht es uns schier unmöglich, das Nichtstun zu ertragen. Auch gesellschaftliche Normen und Erwartungen an uns selbst. Die westliche Kultur ist geprägt von der Obsession nach Produktivität. Nicht nur Arbeitgeber fürchten den Kontrollverlust durch Home-Office, auch wenn sie die Corona-Krise zum Umdenken zwingt. Wir selbst zerstückeln unseren Tag in kleine, produktive Einheiten: Frühsport. Pendeln. Meeting. Pause. E-Mails. Mehr Meetings. Dinner. Wir optimieren unsere Jobs, unsere Freizeit, unser Leben. Aber wohin? Bleibt am Ende nur das von Nietzsche beschriebene Gefühl des “Bedürfnis der Erholung”, für das man sich vor sich selbst schämt? Was steht am Ende der Optimierung, wenn wir die Muße dabei verlieren?

To do nothing at all is the most difficult thing in the world, the most difficult and the most intellectual.
— Oscar Wilde

Empfindest du Heideggers Langeweile, einem schweigenden Nebel gleich, der alle Dinge in eine merkwürdige Gleichgültigkeit zusammenrückt und das Seiende im Ganzen offenbart? Oder erkennst du die Chance in der Langeweile? Zur Einkehr. Zur Inspiration. Als Nährboden für neue Gedanken, dem Entfachen der Neugier und für Mußestunden.

In diesem Sinne: Schalte die Medien aus, setze dich ans Fenster, tue nicht und genieße eine Prise Langweile. Wer weiß, was dir dabei begegnet?


Shownotes:

Interview mit Bernd Hufnagl im Deutschland Funk.

Hufnagl zu Gast im ZEIT ONLINE Podcast “Frisch an die Arbeit”.

Die Rolle der Langeweile in unserer Wirtschaft und unserem Leben, von Brand Eins.

Lesenswert: Lob des Müssiggangs von Bertrand Russel.

In praise of idleness: Neel Burtons TED Talk.

Weiterführende Inhalte: 

Lob der Faulheit von Gotthold Ephraim Lessing.

Buchempfehlung: Fleurs du mal

Heideggers “Sein und Zeit”

Robert Musils “Der Mann ohne Eigenschaften”

Marc Süß