Trailer Episode: Kintsugi
Keiner hat darauf gewartet, endlich ist er da: ein weiterer Podcast.
Worum geht’s? Um die Bruchstellen unseres Lebens.
Keine Panik, nichts Dramatisches. Es geht um die kleinen, alltäglichen Risse im Alltag. Neues, Fremdes, Unbekanntes, Zufälliges und wundervoll Kaputtes. Eben um alles, was wir sonst ignorieren, schnell wegbügeln oder uns nicht die Zeit nehmen, die Chance darin zu erkennen. Mithilfe großer und kleiner Vordenker, ungewöhnlicher Perspektiven und hoffentlich neuen Brillen, tauchen Hirad und Marc in diese Bruchstellen ab – und fördern für dich das Gold darin zutage.
Zum Auftakt wollen wir gemeinsam mit dir die Weihnachts-Legoburg umtreten und zwischen Kniffel, Korn und Christstollen ein wenig “radical christmas” feiern. Also sperr die Lauscher auf für eine Mischung aus Trash und Literatur, Pop und Philosophie, Podcast und Spoken Word-Performance. Lass uns gepflegt unperfekt sein. Wir gehen mit gutem Beispiel voran und haben für aufmerksame Hörer/innen direkt ein Sound-Problem in die letzten Minuten dieser Episode eingebaut. Wir hätten es nochmal aufgenommen, aber wir mussten zum Flieger.
Viel Vergnügen mit der Premiere von Fugengold.
Essay: Lob der Fehlerhaftigkeit
Das wahrscheinlich Schönste an der Ästhetik, ihre Fuge, um mit unserer Sprache zu sprechen, ist wohl ihre ewig andauernde Geburt. Diese ist dicht verwoben, ja gänzlich eingewoben in das Sein, die Geschichte und die Kultur des Menschen. Volatil und doch beständig, unabgeschlossen und doch vergänglich, bleibt sie ein dauerhaftes Faszinosum. Gleichsam erscheint sie als ein Phänomen unserer Zeit überbelichtet, zwanghaft professionalisiert, normativen Zwängen unterworfen, in manchen Momenten undurchsichtig, in anderen begreifbar. In sich aber, als Phänomen, trägt sie den äußersten Wunsch nach Werdung und Vollendung, bleibt jedoch zugleich immer im Entstehen begriffen: sie bleibt und wird risshaft, zerbrochen, uneins, mindestens in der Wahrnehmung des Menschen, in seiner sinnlichen Erkenntnis.
Die Ästhetik steht als Typus dem effizienten Formvollendungszwang des postmodernen Menschen diametral gegenüber, offenbart sie ihre Unmöglichkeit des vollendeten Seins schon im Moment der Perzeption, im Fühlen, Riechen und Schmecken, in der sinnlichen Begierde oder gewünschten neutralen oder analytischen Betrachtung. Ihr Zwischenuniversum ist die Superlative: Die sich im Moment der Wahrnehmung offenbarende Chance fehlerhaft, unvollständig zu bleiben. Hier glänzt das Gold in der Fuge am stärksten, hier liegt das japanische Wabi-Sabi wie Äther über dem zerstreuenden Chaos, hier umschlingen sich die Kant’schen Begriffe der Erkenntnis und des Gefühls, im sanften Strudel, hier materialisiert sich das kleine Rätsel der Schönheit für den Bruchteil einer Sekunde.
Was also bleiben muss: Der genaue Blick auf das Unvollständige, das Rissbehaftete, das Werdende, das immer Fehlerhafte und das Schöne. Oder eben das Fugengold.
Literatur:
Sartwell, Crispin: Six Names of Beauty. New York 2006.